BGH Beschluss II ZB 7/11 vom 16. Mai 2013
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS II ZB 7/11 vom 16. Mai 2013 in der Partnerschaftsregistersache
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, die Richterin Caliebe und die Richter Dr. Drescher, Born und Sunder beschlossen:
I.
Das Verfahren wird ausgesetzt.
II.
Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu folgender Frage eingeholt: Ist § 59a Abs. 1 BRAO in der Fassung vom 12. Dezember 2007 mit Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar?
Gründe:
A. Der Beschwerdeführer zu 1 ist Rechtsanwalt, die Beschwerdeführerin zu 2 ist Ärztin und Apothekerin. Sie gründeten eine Partnerschaftsgesellschaft und meldeten diese mit dem Namen „Dr. iur. W. W. H. , Rechtsanwalt, Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. M. V. A. , Ärztin und Apothekerin, interprofessionelle Partnerschaft für das Recht des Arztes und des Apothekers“ beim Amtsgericht zur Eintragung ins Partnerschaftsregister an. Zum Gegenstand nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 PartGG heißt es in der Anmeldung: „Gegenstand 1 der Partnerschaft ist die Ausübung des selbständigen Berufes des Rechtsanwalts durch den Partner Dr. W. W. H. und der Ärztin und Apothekerin durch die Partnerin Dr. Dr. M. V. A. . Die Partnerin Dr. Dr. M.
V.
A. wird jedoch nur gutachterlich und beratend tätig; sie übt in der Partnerschaft weder die Heilkunde am Menschen aus, noch betreibt sie in der Partnerschaft eine Apotheke.“ Das Amtsgericht hat die Anmeldung zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Beschwerdeführer ihren Antrag auf Anmeldung ins Partnerschaftsregister fort. B. Das Verfahren ist nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen. Nach Überzeugung des Senats ist zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 59a Abs. 1 BRAO eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
I.
Das Beschwerdegericht (OLG Bamberg, ZIP 2011, 1413) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Der Eintragung stehe die abschließende Regelung des (§ 1 Abs. 3 PartGG i.V.m.) § 59a BRAO entgegen, in der der Beruf des Arztes und des Apothekers nicht aufgeführt sei. Eine erweiternde Auslegung komme nicht in Betracht; eine Lockerung sei dem Gesetzgeber vorbehalten. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestünden nicht. Als Berufsausübungsregelung verstoße sie nicht gegen Art. 3, 9 oder 12 Abs. 1 des Grundgesetzes, weil die Einschränkung der Sozietätsfähigkeit durch vernünftige Gründe des 2 3 4 5 allgemeinen Wohls gerechtfertigt und in Ausmaß und Auswirkungen zumutbar sei. Sie sei auch verhältnismäßig. Wegen der besonderen Pflichten eines Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege, insbesondere im Hinblick auf das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, seiner besonderen Verschwiegenheitsverpflichtung und der besonderen Regelungen zum Abhörschutz sei die Beschränkung der Sozietätsfähigkeit gerechtfertigt. Eine Zusammenarbeit sei nicht vollständig ausgeschlossen, denn es bestünde die Möglichkeit einer Kooperation nach der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA). Die Anwendung der Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 2006/123 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376 v. 27.1
2.
2006, S. 36 Dienstleistungsrichtlinie) auf den vorliegenden Sachverhalt erscheine bereits fraglich. Unabhängig davon finde deren Anwendbarkeit ihre Grenzen in der Auslegungsfähigkeit und Ergänzungsfähigkeit des nationalen Rechts und könne nicht zu einer Auslegung contra legem führen.
II.
Die Frage, ob die gesetzliche Regelung des § 59a Abs. 1 BRAO insofern verfassungsgemäß ist, als sie die berufliche Verbindung von Rechtsanwälten zur gemeinschaftlichen Berufsausübung mit Ärzten und mit Apothekern im Gegensatz zu einer solchen mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer, mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern nicht zulässt, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich. Der Rechtsbeschwerde bleibt der Erfolg nicht schon aus anderen Gründen ohne Rücksicht auf die Regelung des § 59a Abs. 1 BRAO versagt (1.). Die Vorschrift des § 59a Abs. 1 BRAO ist nach herkömmlicher Auslegung unter Berücksichtigung des Wortlauts, der Entstehungsge schichte, des gesetzgeberischen Willens und ihres Sinns und Zwecks wie vom Beschwerdegericht zutreffend zugrunde gelegt als abschließende Aufzählung derjenigen Berufe zu verstehen, mit deren Angehörigen sich Rechtsanwälte zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden dürfen (2.). § 59a BRAO ist weder von Verfassungs wegen oder aus Gründen des Rechts der Europäischen Union abweichend auszulegen (3.) noch aufgrund vorrangigen europäischen Rechts nicht anwendbar (4.). Ebenso wenig ist die Sache zwingend zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen (5.).
1.
Der Rechtsbeschwerde bleibt der Erfolg nicht schon ohne Rücksicht auf die Regelung des § 59a Abs. 1 BRAO versagt.
a)
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und nach § 71 FamFG sowohl rechtzeitig als auch ordnungsgemäß eingelegt.
b)
Die Rechtsbeschwerde wäre begründet und das Amtsgericht hätte die Partnerschaftsgesellschaft der Rechtsbeschwerdeführer eintragen müssen, wenn § 59a Abs. 1 BRAO insoweit verfassungswidrig wäre, als diese Vorschrift eine Partnerschaft mit Ärzten und Apothekern nicht zulässt. Sie wäre unbegründet, wenn § 59a Abs. 1 BRAO insoweit verfassungsgemäß wäre. Sie ist nicht schon aus anderen Gründen ohne Rücksicht auf § 59a Abs. 1 BRAO unbegründet.
aa)
Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zu Recht für zulässig gehalten, sie war insbesondere nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und wurde innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt. 7 8 9 10
bb)
Das Beschwerdegericht hat, ausgehend von seiner Rechtsauffassung der Verfassungsmäßigkeit des § 59a Abs. 1 BRAO, die Beschwerde zutreffend für unbegründet gehalten.
cc)
Die Beschwerde wäre nicht ohnehin aus anderen Gründen unbegründet gewesen. Wäre § 59a Abs. 1 BRAO nicht anwendbar, soweit eine Partnerschaft mit Ärzten und Apothekern ausgeschlossen wird, hätte das Amtsgericht die Partnerschaftsgesellschaft der Beschwerdeführer eintragen müssen. Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Eintragung nach dem Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz vom 25. Juli 1994, BGBl. I S. 1744 PartGG) sind erfüllt. Insbesondere stehen der Eintragung weder die Ausgestaltung und der Gegenstand der angemeldeten Partnerschaft noch der Umstand entgegen, dass sich die Beschwerdeführerin zu 2 als Ärztin und Apothekerin beteiligen will; auch greifen Bedenken nach § 2 PartGG, § 18 Abs. 2 HGB gegen den Namen der Partnerschaft nicht durch.
(1)
Die angemeldete Partnerschaft stellt eine Gesellschaft dar, in der sich Angehörige Freier Berufe zur Ausübung ihrer Berufe zusammenschließen. Sie übt kein Handelsgewerbe aus (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 PartGG). (a) Nach dem Inhalt der beantragten Eintragung handelt es sich um eine „interprofessionelle Partnerschaft für das Recht des Arztes und des Apothekers“ (Name), deren Gegenstand die Ausübung des selbständigen Berufs des Rechtsanwalts durch den Rechtsbeschwerdeführer zu 1 und der Ärztin und Apothekerin durch die Rechtsbeschwerdeführerin zu 2 ist, wobei letztere nur gutachterlich und beratend tätig werden und in der Partnerschaft weder die Heilkunde am Menschen ausüben noch eine Apotheke betreiben soll (Nr. 2 des Eintragungsantrags). 11 12 13 14 15 (b) Die selbständige Ausübung des Berufs des Arztes und diejenige des Rechtsanwalts gehören zu den in § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG ausdrücklich aufgeführten Beispielen für die Ausübung eines Freien Berufs im Sinne des Gesetzes. Die Tatsache, dass die Rechtsbeschwerdeführerin zu 2 in der Partnerschaft nur gutachterlich und beratend tätig werden soll, steht ihrer Eignung als Partnerin im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 PartGG nicht entgegen. Die selbständige Ausübung des Berufs des Arztes setzt nicht voraus, dass die Heilkunde auch in Form der Heilbehandlung ausgeübt wird. Die gutachterliche und fachlich beratende Tätigkeit des Arztes stellt ebenso eine selbständige Ausübung dieses Berufes dar (MünchKommBGB/Ulmer, 5. Aufl., § 1 PartGG Rn. 50 mwN; Meilicke/Lenz, PartGG, 2. Aufl., § 1 Rn. 40). Dementsprechend unterliegt auch der nur gutachterlich tätige Arzt grundsätzlich der nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbewehrten Verschwiegenheitspflicht (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1992 3 StR 367/92, BGHSt 38, 369, 370 f.), und das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO umfasst grundsätzlich alle Tatsachen, deren Kenntnis der Arzt als ärztlicher Sachverständiger erlangt hat (BGH, Urteil vom 14. November 1963 III ZR 19/63, BGHZ 40, 288, 293 f.). Das kommt auch in § 23c der (Muster)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte MBOÄ 1997 (in der Fassung der Beschlüsse des 11
4.
Deutschen Ärztetages 2011, in Kraft ab 3. Juni 2011) zum Ausdruck, nach der es Ärztinnen und Ärzten gestattet ist, „mit Angehörigen anderer Berufe als den in § 23b beschriebenen in allen Rechtsformen zusammen zu arbeiten, wenn sie nicht die Heilkunde am Menschen ausüben“. Dementsprechend hat auch ausweislich der Feststellungen im Beschluss des Amtsgerichts die Bayerische Landesärztekammer in ihrer Stellungnahme aus der Sicht des Berufsrechts der Ärzte keine Einwendungen gegen die Eintragung der Partnerschaftsgesellschaft erhoben. 16 17 (c) Auch die Ausübung des selbständigen Berufs des Apothekers stellt jedenfalls bei nur gutachterlicher und fachlich beratender Tätigkeit die Ausübung eines Freien Berufs im Sinne von § 1 Abs. 1 und Abs. 2 PartGG dar. Zwar findet sich der Beruf des Apothekers nicht unter den ausdrücklich benannten Beispielen des § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG ist aber auch die Ausübung „ähnlicher Berufe“ Ausübung eines Freien Berufs im Sinne des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes. Die selbständige Ausübung des Berufs des Apothekers stellt, jedenfalls dann, wenn keine Apotheke betrieben, sondern eine gutachterliche und fachlich beratende Tätigkeit ausgeübt wird, die Ausübung eines solchen ähnlichen Berufs dar. Der nur gutachterlich und beratend ausgeübte Apothekerberuf ist den in § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG ausdrücklich aufgeführten Berufen als ein akademischer Heilberuf ähnlich. Die Ähnlichkeit im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass der nicht ausdrücklich genannte Beruf mit einem der Katalogberufe in wesentlichen Punkten vergleichbar ist, wobei auf die für die Freiberuflichkeit typischen Merkmale abzustellen und ein wertender Vergleich anzustellen ist (Meilicke/Lenz, PartGG, 2. Aufl., § 1 Rn. 75; MünchKommBGB/Ulmer, 5. Aufl., § 1 PartGG Rn. 66 ff.; vgl. auch BFH, BStBl II 93, 100 mwN zu § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG). § 1 Abs. 2 Satz 1 PartGG definiert die Freien Berufe als Berufe, die im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt haben. Diese Voraussetzungen erfüllt auch der Beruf des Apothekers, wenn er durch gutachterliche und fachlich beratende Tätigkeit ausgeübt wird. Grundlage ist eine Hochschulausbildung; es 18 19 20 21 werden persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig Dienstleistungen höherer Art erbracht, die im Interesse des Auftraggebers und mittelbar auch im Interesse der Allgemeinheit (Volksgesundheit) liegen. Ähnlichkeit in den wesentlichen Punkten besteht unter Berücksichtigung der hier relevanten gutachterlichen und fachlich beratenden Berufsausübung danach insbesondere mit den anderen Heilberufen, vor allem dem des Arztes, sowie mit dem des Handelschemikers. Weiter besteht eine Nähe zum Beruf des hauptberuflichen Sachverständigen. Diesem Verständnis steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber bewusst von der Aufnahme des Apothekerberufs in den Katalog des § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG abgesehen hat, weil er, ohne die Freiberuflichkeit des Apothekerberufs in Frage stellen zu wollen, den berufsrechtlichen Vorschriften Vorrang einräumen und der Vorschrift des § 8 ApothG Rechnung tragen wollte, nach der eine Apotheke von mehreren nur in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer offenen Handelsgesellschaft betrieben werden darf (vgl. Begr. RegE, BTDrucks. 12/6152, S. 10). Zwar wird deshalb der Apotheker auch vom Schrifttum überwiegend nicht zu den partnerschaftsfähigen Berufen gezählt (Hirtz in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 1 PartGG Rn. 25; MünchKommBGB/Ulmer, 5. Aufl., § 1 PartGG Rn. 43, 79; Meilicke/Lenz, PartGG, 2. Aufl., § 1 Rn. 36, 48; Michalski/Römermann, PartGG, 3. Aufl., § 1 Rn. 36; aA Seibert/Kilian, PartGG, § 1 Rn. 11: ähnlicher Beruf). Gesetzgeber und Schrifttum stellen hierbei aber auf den Betrieb einer Apotheke und nicht auf die gutachterliche und fachlich beratende Tätigkeit eines Apothekers ab. Jedenfalls für einen solchen Fall der nichtgewerblichen Betätigung ist der Apotheker als „ähnlicher Beruf“ i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG anzusehen, ohne dass dieser Auslegung der gesetzgeberische Wille entgegenstünde. 22 Entsprechend hat auch ausweislich der Feststellungen im Beschluss des Amtsgerichts die Bayerische Landesapothekenkammer in ihrer Stellungnahme aus apothekenrechtlicher Sicht gegen die Eintragung der Partnerschaftsgesellschaft keine Einwendungen erhoben.
(2)
Der Eintragung stehen keine Einwände nach § 2 PartGG, § 18 Abs. 2 HGB gegen den Namen der Partnerschaftsgesellschaft entgegen. Der Einwand der Rechtsanwaltskammer München, der beabsichtigte Partnerschaftsname „Dr. iur. W. W. H. , Rechtsanwalt, Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. M. V. A. , Ärztin und Apothekerin, interprofessionelle Partnerschaft für das Recht des Arztes und des Apothekers“ sei irreführend und erwecke den Eindruck, dass Heilkunde und Heilfürsorge neben Rechtsberatung angeboten und die Ärztin und Apothekerin ihrerseits Mandatsverträge annehmen und rechtsberatend tätig sein würde, ist nicht begründet. Maßgeblich ist, wie die Verkehrsauffassung, nämlich der durchschnittliche Angehörige des angesprochenen Personenkreises den Namen bei verständiger Würdigung versteht (siehe nur Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 18 Rn. 35 ff. mwN). Der durchschnittliche Angehörige des angesprochenen Personenkreises erhält bei verständiger Würdigung aber nicht den Eindruck, dass ihm eine interprofessionelle Partnerschaft für das Recht des Arztes und Apothekers auch Heilkunde und Heilfürsorge anböte oder dass ihm durch einen Arzt und oder Apotheker Rechtsrat erteilt werde. Vielmehr geht er bei verständiger Würdigung davon aus, dass jede der beteiligten Professionen sich im Rahmen der eigenen beruflichen Befähigung und Befugnisse zur Verwirklichung des Gegenstands der Partnerschaft einbringt. 23 24 25
2.
Zutreffend hat das Beschwerdegericht § 59a Abs. 1 BRAO als abschließende Aufzählung derjenigen Berufe verstanden, mit deren Angehörigen sich ein Rechtsanwalt in einer Berufsausübungsgesellschaft verbinden darf.
a)
Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen. Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt allerdings nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, der sich der Richter nicht entgegenstellen darf. Dessen Aufgabe beschränkt sich darauf, die intendierte Regelungskonzeption bezogen auf den konkreten Fall auch unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen. In keinem Fall darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Die Eindeutigkeit der im Wege der Auslegung gewonnenen gesetzgeberischen Grundentscheidung wird nicht notwendig dadurch relativiert, dass der Wortlaut der einschlägigen Norm auch andere Deutungsmöglichkeiten eröffnet, soweit diese Deutungen offensichtlich 26 27 eher fern liegen. Anderenfalls wäre es für den Gesetzgeber angesichts der Schwierigkeit, textlich Eindeutigkeit herzustellen, nahezu unmöglich, sein Regelungsanliegen gegenüber der Rechtsprechung über einen längeren Zeitraum durchzusetzen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 2 BvR 2628/10, 2883/10, 2555/11, NJW 2013, 1058 Rn. 66 mwN).
b)
Die in § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO enthaltene Aufzählung bestimmter, der Beteiligung an einer interprofessionellen Berufsausübungsgesellschaft mit dem Rechtsanwalt fähiger („sozietätsfähiger“) Berufe hat abschließenden Charakter; ein entsprechender Zusammenschluss mit Angehörigen anderer freier Berufe ist dem Rechtsanwalt nicht gestattet. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut (aa), der Entstehungsgeschichte und dem gesetzgeberischen Willen (bb) sowie dem Sinn der Vorschrift (cc).
aa)
Aus dem Wortlaut der Vorschrift folgt, dass sich Rechtsanwälte mit anderen als den in § 59a Abs. 1 BRAO aufgezählten Berufen nicht zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden dürfen. Dies ergibt sich aus der Kombination des Verbs „dürfen“ mit der Aufzählung bestimmter Berufe. Etwas anderes kann entgegen der Rechtsbeschwerde auch nicht daraus abgeleitet werden, dass es an einem einschränkenden Zusatz fehlt, wie etwa dem in der vergleichbaren Regelung von § 9 Abs. 1 und 2 BNotO enthaltenen Wort „nur“. Der Umstand, dass der abschließende Charakter der Aufzählung in vergleichbaren berufsrechtlichen Vorschriften grammatisch verstärkt geregelt ist, nimmt dem Wortlaut des § 59a Abs. 1 BRAO nicht seine Klarheit. Es handelt sich nicht lediglich wie die Rechtsbeschwerde meint um einen Hinweis des Gesetzgebers, dass er die Zusammenarbeit mit den in § 59a Abs. 1 BRAO genannten freien Berufen als anwaltstypisch ansieht. 28 29
bb)
Ein anderes Verständnis ist vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift und der jüngsten gesetzgeberischen Entwicklungen ausgeschlossen. Bis zur gesetzlichen Regelung durch das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2278) sah man das grundsätzliche Verbot interprofessioneller Assoziation von Rechtsanwälten nicht nur in § 30 der Standesrichtlinien (Richtlinien gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 2 BRAO a.F.) geregelt, wonach der Rechtsanwalt mit Patentanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, nicht aber mit Angehörigen anderer Berufe eine Sozietät eingehen durfte, sondern leitete es direkt aus § 43 BRAO im Zusammenhang mit dem sich aus den einzelnen Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung (§§ 1, 2, 7 Nr. 8, § 14 Nr. 9) und deren Regelungszusammenhang ergebenden Berufsbild her (vgl. AGH BadenWürttemberg, NJWRR 1995, 1017, 1018; Kaiser/Bellstedt, Die Anwaltssozietät, 1993, Rn. 30). Maßgebliche Gesichtspunkte für die Zulässigkeit einer Zusammenarbeit eines Rechtsanwalts mit anderen Berufsgruppen seien im Hinblick auf die Frage, ob die Zusammenarbeit wegen der Zurechnung der Tätigkeit seiner Sozien (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1978 Stb StR 1/78, BGHSt 28, 199, 204 f.) die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und seinen freiberuflichen nichtgewerblichen Status gefährde und mit seinem Beruf vereinbar sei (BGH, Beschluss vom 30. Juni 1986 AnwZ (B) 17/86, BRAKMitt. 1986, 223; Feuerich, BRAO, 2. Aufl., § 45 Rn. 149 ff.), die Artverwandtschaft oder die Artverschiedenheit der Berufe (BGH, Beschluss vom 10. November 1975 AnwZ (B) 10/75, BGHZ 65, 276, 279 f.; Beschluss vom 27. Februar 1978 AnwSt (R) 7/77, BGHSt 27, 390 f.; Beschluss vom 4. Januar 1968 AnwZ (B) 10/67, BGHZ 49, 244, 246 ff.; AGH BadenWürttemberg, NJWRR 1995, 1017, 1018; Jähnke, NJW 1988, 1888, 1893; Kaiser/Bellstedt, Die Anwaltssozietät, 1993, S. 33 Rn. 30). 30 31 Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1987, nach der die Standesrichtlinien der Rechtsanwälte weder weiterhin als normative Regelung der anwaltlichen Berufspflichten noch als rechtserhebliches Hilfsmittel zur Konkretisierung der Generalklausel des § 43 BRAO in Betracht kamen und auch die Generalklausel selbst dem Gesetzesvorbehalt nicht genügte (NJW 1988, 191, 192 f.), war eine Regelung der statusbildenden grundsätzlichen Pflichten des Rechtsanwalts durch den Gesetzgeber veranlasst (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 19. Mai 1993, BTDrucks. 12/4993, S. 22). Mit der Einführung des § 59a BRAO durch das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2278) sollten nach der Begründung des Gesetzesentwurfs vor dem Hintergrund eines seit dem Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung am 1. Oktober 1959 gewandelten Verständnisses vom Beruf des Rechtsanwalts „klare Regeln über die berufliche Zusammenarbeit mit anderen Berufen“ aufgestellt, „die gemeinsame Berufsausübung und die Sozietät mit Kollegen und Angehörigen anderer Berufe ausdrücklich“ geregelt und „die sozietätsfähigen Berufe abschließend aufgezählt werden“ (BTDrucks. 12/4993, S. 22 f.). Es handele sich „um Berufsausübungsregelungen von erheblichem Gewicht für die Rechtsanwälte und für das Funktionieren des Rechts, Wirtschaftsund Soziallebens, die durch den Gesetzgeber selbst zu treffen“ seien (BTDrucks. 12/4993, S. 23). Der Gesetzgeber hat dabei die Zulässigkeit der interprofessionellen Zusammenarbeit der Rechtsanwälte auf die gemeinsame Berufsausübung mit Angehörigen bestimmter wirtschaftsberatender Berufe mit Bezug zur Rechtsberatung beschränkt. § 59a Abs. 1 BRAO ist auch in der Folgezeit einhellig als abschließende Regelung verstanden und angewandt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2003 AnwZ (B) 24/00, ZIP 2004, 268 f.; AGH Celle, NJW32 33 RR 2006, 927, 928; AGH Celle, NJWRR 2003, 129 f.; AGH BadenWürttemberg, NJWRR 1995, 1017, 1018; Bormann in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 59a BRAO Rn. 85; Hartung/v. Wedel, BRAO, 5. Aufl., § 59a Rn. 1, 3; Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 59a Rn. 28, 129131; KleineCosack, BRAO, 6. Aufl., § 59a Rn. 9; Feuerich/Braun, BRAO, 3. Aufl., § 59a Rn. 1; Kaiser/Bellstedt, Die Anwaltssozietät, 2. Aufl., S. 42, Rn. 42; Damm/v. Mickwitz, JZ 2001, 76). Eine im Zuge der jüngsten Reform der Bundesrechtsanwaltsordnung vorgesehene Erweiterung des Kreises assoziationsfähiger Berufe wurde wieder fallen gelassen: Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 30. November 2006 sah in § 59a Abs. 4 BRAO eine Erweiterung der beruflichen Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit „Angehörigen vereinbarer Berufe“ vor (BTDrucks. 16/3655, S. 15). Damit sollte nach der Begründung des Regierungsentwurfs „z.B. (…) die Aufnahme einer Ärztin oder eines Arztes als Gesellschafterin/Gesellschafter in eine medizinrechtlich ausgerichtete Anwaltskanzlei (…)“ ermöglicht werden (BTDrucks. 16/3655, S. 83). „Angesichts des Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse“ sei „eine weitgehende Aufhebung des Verbots angezeigt. Die Einhaltung des anwaltlichen Berufsrechts“ könne „auf andere Weise gesichert werden als durch ein Zusammenarbeitsverbot, das die Berufsfreiheit erheblich“ einschränke (BTDrucks. 16/3655, S. 83). Diese erweiternde Regelung in § 59a Abs. 4 BRAO wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf Empfehlung des Rechtsausschusses aus dem am 12. Dezember 2007 verabschiedeten Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts (BGBl. I S. 2840, 2848) gestrichen (BTDrucks. 16/6634, S. 54). „Angesichts erheblicher Meinungsunterschiede innerhalb der Anwaltschaft“ stellte man diese „weitreichende Änderung des anwaltlichen Berufsrechts“ zurück, um sie „einem gesonderten Gesetzge34 bungsvorhaben“ vorzubehalten (BTDrucks. 16/6634, S. 1, 54). Zu einem solchen ist es bislang nicht gekommen.
cc)
Auch der Sinn und Zweck der Regelung des § 59a Abs. 1 BRAO, im Interesse des rechtsuchenden Publikums zu gewährleisten, dass der Rechtsanwalt nur mit Angehörigen der im Gesetz genannten rechtsberatenden, steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe zusammenarbeitet, die in gleicher Weise wie der Rechtsanwalt zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und den damit korrespondierenden Aussageverweigerungsrechten und Beschlagnahmeverboten unterfallen sowie der Aufsicht durch eigene Berufskammern unterliegen wie der Rechtsanwalt (BGH, Beschluss vom 29. September 2003 AnwZ (B) 24/00, ZIP 2004, 268, 269 unter Bezugnahme auf BTDrucks. 12/4993, S. 34), stehen einem abschließenden Verständnis der Aufzählung in § 59a Abs. 1 BRAO jedenfalls nicht entgegen. Das gesetzgeberische Konzept, sich auf die wirtschaftsberatenden Berufe mit Überschneidungen zur Rechtsberatung zu beschränken, ist auch weder unstimmig noch widersprüchlich umgesetzt.
3.
Angesichts der nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und gesetzgeberischem Willen abschließenden Regelung in § 59a Abs. 1 BRAO ist es nach Überzeugung des Senats ausgeschlossen, die Vorschrift ohne Verletzung des Parlamentsvorbehalts aus Gründen der Verfassung (a) oder des Rechts der Europäischen Union (b) erlaubniserweiternd bzw. verbotseinschränkend so auszulegen, dass sie einer beruflichen Verbindung zur gemeinschaftlichen Berufsausübung von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern nicht entgegenstünde (vgl. in diesem Sinne AGH Celle, NJWRR 2006, 927, 928 [zur Sozietät mit einem DiplomÖkonom]; AGH Celle, NJWRR 2003, 129 f. [zur Sozietät mit einem Mediator]; Hartung/v. Wedel, BRAO, 5. Aufl., Vor § 59a Rn. 19 und § 59a 35 36 Rn. 7; Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 59a Rn. 131). Dadurch würden die Grenzen der zulässigen Auslegung überschritten.
a)
Eine erweiternde Auslegung des § 59a Abs. 1 BRAO zur Herstellung der Verfassungskonformität ist nicht zulässig (Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl. § 59a Rn. 131; aA Gotzens, Die interprofessionelle Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer freier Berufe, 1998, S. 204 f., der jedoch die für die enge Auslegung maßgeblichen Ausführungen in den Gesetzesmaterialien in BTDrucks. 12/4993, S. 23 übersieht; Quodbach, Grenzen der interprofessionellen Zusammenarbeit für Rechtsanwälte, 2002, S. 207, der sich mit den Voraussetzungen verfassungskonformer Auslegung nicht auseinandersetzt). Der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber gebietet es zwar, eine Vorschrift durch Auslegung so weit aufrecht zu erhalten, wie dies in den Grenzen des Grundgesetzes möglich ist, ohne dass sie ihren Sinn verliert (BVerfG, NJW 2007, 2977 Rn. 91). Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet aber dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (st.Rspr., BVerfG, NJW 2007, 2977 Rn. 91 mwN; NJW 2000, 347, 349; ZIP 1998, 1763, 1771; NJW 1994, 2475, 2476; BVerfGE 18, 97, 111). Eine verfassungskonforme Auslegung gegen den Willen des Gesetzgebers ist nicht zulässig (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2012 XII ZR 89/10, FamRZ 2012, 1489 Rn. 50; Urteil vom 24. Juni 2009 XII ZR 161/08, NJW 2009, 2744 Rn. 28). Eine solche Korrektur des Gesetzes würde nicht zuletzt Art. 100 Abs. 1 GG zuwiderlaufen, der die Autorität des parlamentarischen Gesetzgebers im Verhältnis zur Rechtsprechung wahren soll (BVerfG, NJW 2007, 2977 Rn. 91; BVerfGE 86, 71, 77). In der Begründung des Entwurfs zum Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte von 1994 ist dieser Vorbehalt aus37 38 drücklich angesprochen: „Es handelt sich hier um Berufsausübungsregelungen von erheblichem Gewicht für die Rechtsanwälte und für das Funktionieren des Rechts, Wirtschaftsund Soziallebens, die durch den Gesetzgeber selbst zu treffen sind“ (BTDrucks. 12/4993, S. 23).
b)
Eine erweiternde Auslegung aus Gründen des Rechts der Europäischen Union ist ebenfalls nicht zulässig. Insbesondere kann und muss die Vorschrift nicht richtlinienkonform im Hinblick auf die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376 v. 27. 1
2.
2006, S. 36 Dienstleistungsrichtlinie), vor allem deren Art. 25 Abs. 1, erweiternd ausgelegt werden. Zwar ist die Umsetzungsfrist der Dienstleistungsrichtlinie am 28. Dezember 2009 abgelaufen (Art. 44 Abs. 1 Satz 1 Dienstleistungsrichtlinie), und die nationalen Gerichte sind deshalb aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV (zuvor Art. 249 Abs. 3 EG) und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV (zuvor Art. 10 EG) verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck einer Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 10. April 1984 Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 = ZIP 1984, 1386, 1388 von Colson und Kamann/NordrheinWestfalen; Urteil vom 5. Oktober 2004 C397/01 bis C403/01, Slg. 2004, I S. 8835 = EuZW 2004, 691 Rn. 110, 113 Pfeiffer u.a./Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Waldshut e.V.; BVerfG, ZIP 2012, 911 Rn. 46). Jedoch ist bereits der Umfang der Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie auf Rechtsanwälte angesichts der sektoralen europäischen Richtlinien 39 40 41 für Rechtsanwälte (Richtlinie 77/249/EWG des Rates vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte, ABl. L 78 v. 26.
3.
1977, S.17, zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/100/EG v. 20. November 2006, ABl. L 363 v. 20. 1
2.
2006, S. 141; Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, ABl. L 77 v. 1
4.
3 1998, S. 36) klärungsbedürftig. Denn auch die Richtlinie 98/5/EG enthält in Art. 11 Abs. 5 Bestimmungen über die Zulässigkeit multidisziplinärer Ausübung der anwaltlichen Dienstleistungstätigkeit. Das Verhältnis dieser Vorschrift zu Art. 25 der Dienstleistungsrichtlinie ist für den sektoralen Bereich der Rechtsanwälte nicht geklärt (vgl. Kopp, GPR 2008, 54, 61, die aus Art. 3 Abs. 1 der Dienstleistungsrichtlinie insofern einen Vorrang von Art. 11 Abs. 5 der Richtlinie 98/5/EG ableitet). Jedenfalls aber findet die richtlinienkonforme Auslegung einer staatlichen Vorschrift ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG, ZIP 2012, 911 Rn. 47) und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 C12/08, Slg. 2009, I6653 Rn. 61 Mono Car Styling; BVerfG, ZIP 2012, 911 Rn. 47). Nach deutschem Recht ist eine Auslegung gegen den Wortlaut und gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht zulässig (BVerfG, ZIP 2012, 911 Rn. 56; ZIP 2010, 1711 Rn. 64; NJW 2007, 2977 Rn. 121; vgl. Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 288 AEUV, 48. ErgLfg., Rn. 134). Eine planwidrige Regelungslücke, die dem Gesetzgeber bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie unterlaufen wäre und die eine richtlinienkonforme rechtsfortbildende Auslegung im Wege der teleologischen Reduktion 42 43 auch über die Grenzen der Auslegung im engeren Sinne hinaus rechtfertigen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2008 VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 ff.; Urteil vom 21. Dezember 2011 VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148, 160 f.), liegt nicht vor. Denn § 59a Abs. 1 BRAO ist keine nationale Bestimmung, die Art. 25 der Dienstleistungsrichtlinie umsetzt. § 59a Abs. 1 BRAO bestand mit dem heutigen Inhalt im Wesentlichen bereits seit der Gesetzesfassung vom 2. September 1994 und wurde erst mit der Gesetzesänderung vom 12. Dezember 2007 nur insofern inhaltlich geändert, als in Satz 1 der Zusatz „in einer Sozietät“ gestrichen und in Satz 3 das Wort „Sozietät“ durch „Verbindung“ ersetzt wurde. Diese nach Inkrafttreten der Dienstleistungsrichtlinie am 28. Dezember 2006 vorgenommenen gesetzlichen Änderungen des § 59a Abs. 1 BRAO dienten nicht der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie. Die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur jüngsten Neuregelung des Rechtsberatungsrechts in den Jahren 2006 und 2007 zunächst beabsichtigte Erweiterung interprofessioneller Berufsausübungsgesellschaften wurde, wie angeführt, wieder fallen gelassen.
4.
§ 59a Abs. 1 BRAO ist nicht aufgrund des Anwendungsvorrangs einer Vorschrift des Rechts der Europäischen Union unanwendbar, was zur mangelnden Entscheidungserheblichkeit im Sinne von Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG führen und die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ausschließen würde (vgl. BVerfGE 116, 202, 214; 106, 275, 295; 85, 191, 203 ff.; Leibholz/ Rinck/Burghart, GG, Lfg. Sept. 2010, Art. 100 Rn. 186; Sturm/Detterbeck in Sachs, GG, 6. Aufl., Art. 100 Rn. 6). Es steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass § 59a Abs. 1 BRAO wegen Art. 25 der Dienstleistungsrichtlinie nicht anwendbar ist. 44
a)
Angesichts der sektoralen europäischen Richtlinien für Rechtsanwälte ist, wie oben unter II. 3.b) dargestellt, bereits der Umfang der Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie für Rechtsanwälte klärungsbedürftig.
b)
Die vorliegende Rechtsfrage ist auch nicht Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union gewesen. Die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Fall Wouters (EuGH, Urteil vom 19. Februar 2002 C309/99, Slg. 2002 I 1577) zur Vereinbarkeit des niederländischen Sozietätsverbots zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern mit europäischem Recht ist nicht zu Art. 25 der Dienstleistungsrichtlinie, sondern zu Art. 52 und 59 sowie Art. 85 und 86 EGV a.F. ergangen.
c)
Die richtige Anwendung des Unionsrechts auf diese Rechtsfrage ist auch nicht derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. zu dieser Voraussetzung eines Anwendungsvorrangs BVerfG, ZIP 2012, 1876 Rn. 22; EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 C283/81, Slg. 1982, 3415, Rn. 21 C.I.L.F.I.T.). Die unmittelbare Anwendung einer Richtlinienbestimmung setzt neben dem fruchtlosen Verstreichen der Umsetzungsfrist voraus, dass sie klar und genau, uneingeschränkt bzw. bedingungsunabhängig ist und zu ihrer Ausführung keiner weiteren Rechtsvorschriften des staatlichen Normgebers bedarf (st. Rspr., EuGH, Urteil vom 5. Februar 1963 C26/62, Slg. 1963, 1, 25 f. Van Gend & Loos; Urteil vom 19. Januar 1982 C8/81, Slg. 1982, 53 Rn. 25 = NJW 1982, 499, 500 Becker; Urteil vom 29. Mai 1997 C389/95, Slg. 1997, I2719 = EWS 1997, 354 Rn. 32 f. Klattner; Nettesheim in Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 288 AEUV, 48. Erg.Lfg., Rn. 142147). Diese Voraussetzungen sind bei Art. 25 der Dienstleistungsrichtlinie nicht erfüllt. 45 46 47 48 Art. 25 lautet: Multidisziplinäre Tätigkeiten
(1)
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Dienstleistungserbringer keinen Anforderungen unterworfen werden, die sie verpflichten, ausschließlich eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, oder die die gemeinschaftliche oder partnerschaftliche Ausübung unterschiedlicher Tätigkeiten beschränken. Jedoch können folgende Dienstleistungserbringer solchen Anforderungen unterworfen werden:
a)
Angehörige reglementierter Berufe, soweit dies gerechtfertigt ist, um die Einhaltung der verschiedenen Standesregeln im Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Berufe sicherzustellen, und soweit dies nötig ist, um ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu gewährleisten; (…)
(2)
Sofern multidisziplinäre Tätigkeiten zwischen den (…) genannten Dienstleistungserbringern erlaubt sind, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass
a)
Interessenkonflikte und Unvereinbarkeiten zwischen bestimmten Tätigkeiten vermieden werden;
b)
die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, die bestimmte Tätigkeiten erfordern, gewährleistet sind;
c)
die Anforderungen der Standesregeln für die verschiedenen Tätigkeiten miteinander vereinbar sind, insbesondere im Hinblick auf das Berufsgeheimnis. (…) Diese Richtlinienbestimmung verleiht einem Rechtsanwalt ihre Anwendbarkeit auf Rechtsanwälte unterstellt einerseits und einer Ärztin und Apo49 thekerin andererseits nicht offenkundig, klar und unbedingt das Recht, sich in Deutschland zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zu verbinden. Das Recht zur gemeinschaftlichen oder partnerschaftlichen multidisziplinären Berufsausübung besteht nach dem Wortlaut von Art. 25 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 nur eingeschränkt und bedingt und bedarf einer konkreten Ausgestaltung durch den nationalen Normgeber (Zweifel an der Vereinbarkeit von § 59a BRAO mit der Dienstleistungsrichtlinie äußern, ohne jedoch auf Offenkundigkeit einzugehen: KleineCosack, BRAO, 6. Aufl., Vor § 59a Rn. 8 ff.; § 59a Rn. 10 ff.; Hellwig, AnwBl 2011, 77, 78, 80; Grunewald in Leible, Die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie, 2008, S. 175, 178 f.; Hartung/Wendenburg, NJW 2009, 1551, 1556). Während Art. 25 Abs. 1 Satz 1 der Dienstleistungsrichtlinie den Mitgliedstaaten aufgibt, sicherzustellen, dass die Dienstleistungserbringer keinen Anforderungen unterworfen werden, die sie verpflichten, ausschließlich eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, oder die die gemeinschaftliche oder partnerschaftliche Ausübung unterschiedlicher Tätigkeiten beschränken, lässt Satz 2 solche Einschränkungen für die Angehörigen reglementierter Berufe, zu denen, die Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie auf Rechtsanwälte unterstellt, nach Art. 4 Nr. 11 der Dienstleistungsrichtlinie i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. L 255 v. 30. 9. 2005, S. 22 ff. Rechtsanwälte gehören dürften, zu, soweit dies gerechtfertigt ist, um die Einhaltung der verschiedenen Standesregeln im Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Berufe sicherzustellen, und soweit dies nötig ist, um ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu gewährleisten. Absatz 2 der Vorschrift verpflichtet die Mitgliedstaaten darüber hinaus sicherzustellen, dass Interessenkonflikte und Unvereinbarkeiten zwischen bestimmten Tätigkeiten vermieden werden, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, die bestimmte Tä50 tigkeiten erfordern, gewährleistet sind und die Anforderungen der Standesregeln für die verschiedenen Tätigkeiten miteinander vereinbar sind, insbesondere im Hinblick auf das Berufsgeheimnis.
5.
Da § 59a Abs. 1 BRAO keine staatliche Rechtsvorschrift zur Umsetzung von Art. 25 Dienstleistungsrichtlinie ist (siehe oben II.
3.
b), ist die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zwingend und steht der Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht entgegen (vgl. BVerfG, EuZW 2012, 232 Rn. 44 ff.; Beschluss vom 17. Januar 2013 1 BvR 121/11, 1295/11, ZIP 2013, 924 Rn. 28 ff.).
III.
Der Senat ist der Überzeugung, dass die gesetzliche Ausgestaltung der beruflichen Verbindung zur gemeinschaftlichen Berufsausübung von Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer freier Berufe in § 59a Abs. 1 BRAO insofern mit Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 9 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, als sie die berufliche Verbindung zur gemeinschaftlichen Berufsausübung von Rechtsanwälten mit Ärzten und mit Apothekern im Gegensatz zu einer solchen mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer, mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern nicht zulässt.
1.
Das in § 59a Abs. 1 BRAO für Rechtsanwälte enthaltene Verbot, sich beruflich zur gemeinschaftlichen Berufsausübung mit Ärzten und Apothekern zu verbinden, ist nach Überzeugung des Senats mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar (ebenso KleineCosack, BRAO, 6. Aufl., Vor § 59a Rn. 8 ff.; § 59a Rn. 10 ff.; Michalski/Römermann, NJW 1996, 3233, 3234 ff.; Römermann, Entwicklungen und Tendenzen bei Anwaltsgesellschaften, 1995, S. 94; vgl. ferner Quodbach, 51 52 53 Grenzen der interprofessionellen Zusammenarbeit für Rechtsanwälte, 2002, S. 207 und Gotzens, Die interprofessionelle Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer freier Berufe, 1998, S. 171, 201 f., die allerdings eine verfassungskonforme Auslegung für zulässig halten; kritisch hinsichtlich des Ausschlusses einer Berufsausübung mit Ärzten auch Krenzler, BRAKMitt. 2010, 234, 237; vgl. für Mediatoren Hartung/Wendenburg, NJW 2009, 1551, 1553 f.). Eingriffe in die freie Berufsausübung erfordern nicht nur eine gesetzliche Grundlage, sondern sind nach ständiger Rechtsprechung nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, wenn also das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 61, 291, 312 mwN; 71, 162, 173). Diesen Anforderungen genügt die Regelung des § 59a Abs. 1 BRAO nicht.
a)
§ 59a Abs. 1 BRAO greift in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit ein, indem diese Bestimmung die gemeinschaftliche Berufsausübung von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern in gesellschafterlicher Verbundenheit verbietet. Art. 12 Abs. 1 GG schützt jede berufliche Tätigkeit, gleichgültig, ob sie selbstständig oder unselbstständig ausgeübt wird (vgl. BVerfG, NJW 2003, 2520, 2522; BVerfGE 7, 377, 398 f.), und gilt für alle Tätigkeiten, die Beruf im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG sind (BVerfG, NJW 1980, 2123). Zur Berufsausübung gehört auch das Recht, sich beruflich zusammenzuschließen (BVerfG, NJW 2003, 2520, 2522; vgl. BVerfGE 80, 269, 278 f.). Die Möglichkeit, im Rahmen einer (anderen) zulässigen interprofessionellen Koope54 55 ration zusammen zu arbeiten, nimmt dem Verbot der Berufsausübungsgesellschaft nicht den Eingriffscharakter, weil es sich um keine gleichwertige Alternative handelt. Die lose Kooperation ist mit der gesellschaftlichen Verbindung rechtlich und wirtschaftlich nicht vergleichbar.
b)
Die Voraussetzungen, unter denen eine derartige Berufsausübungsbeschränkung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zulässig ist, sind nicht erfüllt. Eine Berufsausübungsbeschränkung kann vor Art. 12 Abs. 1 GG nur Bestand haben, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und der Eingriff nicht weiter geht, als es die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern. Eingriffszweck und Eingriffsintensität müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen (BVerfG, NJW 2003, 2520, 2521 mwN). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist weiter geklärt, dass die anwaltliche Berufsausübung durch den Grundsatz der freien Advokatur gekennzeichnet ist, der einer staatlichen Kontrolle und Bevormundung grundsätzlich entgegensteht (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1293 Rn. 25; NJW 1988, 191, 192; NJW 1979, 1159, 1160). Das in erster Linie durch persönliche und eigenverantwortliche Dienstleistung charakterisierte Verhältnis zum Mandanten wird durch berufliche Zusammenschlüsse nicht aufgehoben oder wesentlich verändert (BVerfG, NJW 2003, 2520; für den Strafverteidiger BVerfGE 43, 79, 91 f.). Das Verbot der Verbindung von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern zur beruflichen Zusammenarbeit dient zwar anerkannten Gemeinwohlzwecken (aa) und die Eignung des Verbots ist wohl, wenn auch nicht zweifelsfrei, zu bejahen (bb), nach Überzeugung des Senats ist es aber zum Schutz der Gemeinwohlzwecke nicht erforderlich (cc).
aa)
Im Entwurf der Bundesregierung vom 19. Mai 1993 (BTDrucks. 12/4993) zum Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsan56 57 58 59 wälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2278) ist die Neuregelung des § 59a BRAO wie folgt begründet worden (S. 23): Dem vielfältiger gewordenen Berufsbild soll auch bei der Neuordnung des Berufsrechts Rechnung getragen werden. Ausgangspunkt aller Reformüberlegungen muss aber immer sein, dass an der besonderen Mittlerfunktion des Rechtsanwalts im System der Rechtspflege nicht gerüttelt werden darf, weil dem Bürger ein rechtskundiger Berater in Form eines freien und unabhängigen Rechtsanwalts zur Verfügung stehen muss. Um einerseits diese unabdingbare Funktion des Rechtsanwalts zu stützen und andererseits dem gewandelten Verständnis vom Beruf des Rechtsanwalts in der Praxis gerecht zu werden, sind klare Regeln über die berufliche Zusammenarbeit mit anderen Berufen aufzustellen. Dazu soll die Einfügung von Vorschriften dienen, die die gemeinsame Berufsausübung und die Sozietät mit Kollegen und Angehörigen anderer Berufe ausdrücklich regeln. Es handelt sich hier um Berufsausübungsregelungen von erheblichem Gewicht für die Rechtsanwälte und für das Funktionieren des Rechts, Wirtschaftsund Soziallebens, die durch den Gesetzgeber selbst zu treffen sind. Sozietäten mit Angehörigen anderer Berufe werfen die Frage der „Sozietätsfähigkeit“ auf. Diese wird im konkreten Falle dadurch beantwortet, dass die sozietätsfähigen Berufe abschließend aufgezählt werden. Sinn und Zweck der Regelung des § 59a BRAO ist es danach, im Interesse einer funktionsfähigen Rechtspflege, insbesondere im Interesse des rechtsuchenden Publikums, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und den besonderen Schutz zu gewährleisten, den das Mandatsverhältnis durch die in § 43a BRAO normierten Grundpflichten des Rechtsanwalts, die flankierenden Strafund Strafverfahrensvorschriften sowie durch die Aufsicht der Rechtsanwaltskammern erfährt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2003 AnwZ (B) 24/00, ZIP 2004, 268, 269; BVerfG, NJW 2003, 2520). Bei den das Mandatsverhältnis in diesem Sinne prägenden Pflichten handelt es sich insbe60 sondere um die Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO), strafbewehrt in § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB und flankierend geschützt durch das korrespondierende Aussagebzw. Zeugnisverweigerungsrecht (§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO, § 84 Abs. 1 FGO i.V. mit § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b AO) und das korrespondierende Beschlagnahmeverbot (§ 97 StPO), sowie um das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a Abs. 4 BRAO), das in bestimmten Begehungsformen ebenfalls strafbewehrt ist (vgl. § 356 StGB). Diese Grundpflichten und das in § 43a Abs. 1 BRAO enthaltene Gebot an den Rechtsanwalt, keine Bindungen einzugehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden, garantieren dem Mandanten, dass ihm als Rechtsuchendem unabhängige Anwälte als berufene Berater und Vertreter gegenüber dem Staat oder gegenüber Dritten zur Seite stehen (§§ 1, 3 BRAO; vgl. BVerfG, NJW 2003, 2520). Diese Gewährleistung der anwaltlichen Unabhängigkeit im Dienste des Mandanten und der spezifische Schutz des anwaltlichen Mandatsverhältnisses im Interesse der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege stellen anerkennenswerte Gemeinwohlzwecke dar, in denen sich mit der Förderung der Rechtspflege als Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatgebots und als dessen konkrete Ausprägungen die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG und die Gewährleistung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG Werte von Verfassungsrang spiegeln. Die Förderung der Rechtspflege ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als wichtiges Gemeinschaftsgut anerkannt (BVerfG, NJW 2008, 1293 Rn. 41; NJW 1982, 1687, 1688). Als unabhängige Organe der Rechtspflege und als berufene Berater und Vertreter der Rechtsuchenden haben Anwälte die Aufgabe, sachgerechte Konfliktlösungen herbeizuführen, vor Gericht zu Gunsten ihrer Mandanten den Kampf um das Recht zu führen und dabei zugleich staatliche Stellen möglichst vor Fehlentscheidungen zu Lasten ihrer Mandanten zu bewahren 61 (BVerfG, NJW 2003, 2520, 2521; vgl. ferner BVerfG, NJW 1988, 191, 193). Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus (BVerfG, NJW 2003, 2520, 2521). Der Rechtsverkehr muss sich darauf verlassen können, dass der Pflichtenkanon des § 43a BRAO befolgt wird, damit die angestrebte Chancenund Waffengleichheit der Bürger untereinander und gegenüber dem Staat gewährt wird und die Rechtspflege funktionsfähig bleibt (BVerfG, NJW 2003, 2520, 2521; vgl. weiter BVerfG, NJW 1996, 709, 710; NJW 1983, 1535, 1538). Zu diesem anerkennenswerten Gemeinwohlzweck regelt § 59a BRAO, dass der Rechtsanwalt sich nur mit Angehörigen der ausdrücklich genannten rechtsberatenden, steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden darf, die in gleicher Weise wie der Rechtsanwalt zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und den damit korrespondierenden Aussageverweigerungsrechten und Beschlagnahmeverboten unterfallen sowie der Aufsicht durch eigene Berufskammern unterliegen wie der Rechtsanwalt (BGH, Beschluss vom 29. September 2003 AnwZ (B) 24/00, ZIP 2004, 268, 269 unter Bezugnahme auf BTDrucks. 12/4993 S. 34).
bb)
Die abschließende Aufzählung derjenigen Berufe in § 59a Abs. 1 BRAO, für die interprofessionelle Berufsausübungsgesellschaften mit Rechtsanwälten zugelassen werden, unter Ausschluss insbesondere der im vorliegenden Verfahren betroffenen Berufe des Arztes und des Apothekers, mag zu diesem Zweck insofern geeignet sein, als die gesetzlich aufgeführten Berufe den dargelegten Anforderungen genügen. Die im Gesetz enthaltene Beschränkung auf die dort genannten Berufe könnte allerdings schon deshalb als bedenklich anzusehen sein, weil auch Ärzte und Apotheker diese Anforderungen erfüllen und daher die Eignung der so beschränkten Regelung zur Verfolgung der ge62 63 nannten Gemeinwohlzwecke als fraglich erscheinen könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Mittel jedoch bereits dann im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1293 Rn. 45; ZIP 2001, 1066, 1070; NJW 1985, 121, 123). Man wird dem weitreichenden Sozietätsverbot des § 59a Abs. 1 BRAO die Eignung zumindest in diesem Sinne einer Förderung des damit vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks nicht absprechen können. Je weniger sich Anwälte zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden können, desto unabhängiger können sie grundsätzlich agieren und desto weniger sieht sich das Mandatsverhältnis dem Einfluss Dritter ausgesetzt.
cc)
Zur Verfolgung des genannten legitimen Gemeinwohlziels ist ein so weitreichendes Verbot, wie es in § 59a Abs. 1 BRAO normiert ist, insbesondere auch in Bezug auf Ärzte und Apotheker, dagegen nicht erforderlich. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit ist nur dann erforderlich, wenn ein anderes, in jeder Hinsicht gleich wirksames (vgl. BVerfG, NJW 2002, 3009, 3011), die Berufsfreiheit aber weniger einschränkendes Mittel nicht zur Verfügung steht; auch soweit die Freiheit der Berufsausübung betroffen ist, dürfen Eingriffe nicht weiter gehen, als es die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1293 Rn. 48; NJW 2002, 3765; BVerfGE 101, 331, 347). Dem Gesetzgeber steht bei der Beurteilung dessen, was er zur Verwirklichung der von ihm verfolgten Gemeinwohlzwecke für erforderlich halten darf, ein weiter Einschätzungsund Prognosespielraum zu. Dieser Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn die gesetzgeberischen Erwägungen so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben können (BVerfG, NJW 2008, 1293 Rn. 48; vgl. weiter BVerfG, WM 2007, 853, 854; NVwZ 2004, 597, 599). 64 65 Gemessen hieran ist das Verbot von Berufsausübungsgesellschaften von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern zum Schutz des Mandatsverhältnisses im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege nicht erforderlich.
(1)
Das Verbot ist nicht erforderlich, um das Geheimhaltungsinteresse des Mandanten des Anwalts zu sichern (so im Hinblick auf die gemeinsame Berufsausübung mit Ärzten auch Quodbach, Grenzen der interprofessionellen Zusammenarbeit für Rechtsanwälte, 2002, S. 106; Michalski/Römermann, NJW 1996, 3233, 3234 f.; Grunewald in Leible, Die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie, 2008, S. 175, 178 f.). Zur Sicherung des Geheimhaltungsinteresses des rechtsuchenden Bürgers gegenüber Dritten und gegenüber der Staatsgewalt besteht bei der Berufsausübung von Ärzten und Apothekern gleichfalls ein gesetzlich abgesicherter Schutz, der durch die Verkammerung beider Berufe, einschließlich des Bestands und der Überwachung vergleichbarer beruflicher (Standes)Regeln, wie bei Rechtsanwälten verstärkt wird. Der Umfang, in dem die Geheimhaltungsinteressen der von der Berufsausübung der Ärzte und Apotheker Betroffenen geschützt sind, entspricht demjenigen der in § 59a Abs. 1 BRAO als sozietätsfähig aufgezählten Berufsgruppen der Mitglieder einer Patentanwaltskammer, der Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer. Die ärztliche Schweigepflicht (vgl. § 9 der (Muster)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte MBOÄ 1997 in der Fassung der Beschlüsse des 11
4.
Deutschen Ärztetages 2011, in Kraft ab 3. Juni 2011) und die Pflicht des Apothekers zur Verschwiegenheit bezogen auf beruflich erlangte Geheimnisse sind strafbewehrt (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) und flankierend geschützt durch die korrespondierenden Aussagebzw. Zeugnisverweigerungsrechte (§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO, § 84 Abs. 1 FGO i.V. mit § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c AO) sowie das korrespondierende Beschlagnahmeverbot (§ 97 66 67 68 StPO). Für die in § 59a Abs. 1 BRAO als sozietätsfähig aufgezählten Berufsgruppen der Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer und einer Patentanwaltskammer, der Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer sind die strafbewehrte Verschwiegenheitspflicht in § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB, die korrespondierenden Aussagebzw. Zeugnisverweigerungsrechte in § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO, § 84 Abs. 1 FGO i.V. mit § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst b AO sowie das korrespondierende Beschlagnahmeverbot in § 97 StPO geregelt. Allein das Beweiserhebungsund verwendungsverbot in § 160a StPO statuiert für Rechtsanwälte ein höheres Schutzniveau als für Ärzte und Apotheker: Rechtsanwälte unterfallen dem absoluten Schutz des § 160a Abs. 1 StPO, Ärzte und Apotheker hingegen nur dem relativen Schutz des § 160a Abs. 2 StPO. Nachdem aber auch die nach § 59a Abs. 1 BRAO sozietätsfähigen Berufsgruppen im Rahmen des § 160a StPO nur den Schutz des § 160a Abs. 2 StPO und damit kein höheres Schutzniveau genießen als die nach § 59a Abs. 1 BRAO nichtsozietätsfähigen Ärzte und Apotheker, kann hieraus kein tragfähiger Differenzierungsgrund folgen.
(2)
Zur Sicherung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts ist das Verbot einer Berufsausübungsgesellschaft mit einem Arzt oder einem Apotheker ebenfalls nicht erforderlich. Das in erster Linie durch persönliche und eigenverantwortliche Dienstleistung charakterisierte Verhältnis zum Mandanten wird durch berufliche Zusammenschlüsse nicht aufgehoben oder wesentlich verändert (BVerfG, NJW 2003, 2520; für den Strafverteidiger BVerfGE 43, 79, 91 f.). Einer Führung der Gesellschaft durch nichtanwaltliche Partner oder einer Anteilsmehrheit nichtanwaltlicher Partner wird bereits mit den Vorschriften der §§ 59d und 59e BRAO begegnet (die jedoch derzeit ihrerseits Gegenstand von Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht [1 BvR 2998/11; 1 BvR 236/12] 69 70 sind). Es ist nicht ersichtlich, dass in Anwaltsgesellschaften mit Ärzten und/oder Apothekern gegenüber solchen mit den in § 59a Abs. 1 BRAO aufgeführten Berufsangehörigen eine größere Gefahr für die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts bestünde (vgl. Quodbach, Grenzen der interprofessionellen Zusammenarbeit für Rechtsanwälte, 2002, S. 120 ff.; Gotzens, Die interprofessionelle Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer freier Berufe, 1998, S. 171 f.; Grunewald in Leible, Die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie, 2008, S. 175, 178 f.).
(3)
Ebenso wenig ist das Verbot erforderlich, um einer gesteigerten Gefahr der Vertretung widerstreitender Interessen zu begegnen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Gefahr allein durch die Beteiligung eines Arztes oder eines Apothekers an der Berufsausübungsgesellschaft mit einem Rechtsanwalt erhöht würde. Der Umstand, dass die berufliche Tätigkeit eines Arztes oder eines Apothekers nicht gleichermaßen wie die berufliche Tätigkeit der in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufe die potenzielle Gefahr birgt, dass entgegengesetzte Interessen von Mandanten auftreten, die dazu zwingen, ein Mandat niederzulegen, rechtfertigt das Verbindungsverbot mit Ärzten und Apothekern nicht. Es mag zwar sein, dass die Angehörigen der in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufe typischerweise mit Interessenkollisionen, dem richtigen Umgang mit ihnen und ihrer Vermeidung vertrauter sein dürften als Ärzte und Apotheker. Der Umstand, dass Ärzte und Apotheker damit seltener konfrontiert sind, spricht demgegenüber aber im gleichen Maße gegen die Annahme, in Anwaltssozietäten bzw. partnerschaften mit Ärzten und/oder Apothekern könnte gegenüber solchen mit den in § 59a Abs. 1 BRAO aufgeführten Berufsangehörigen die Gefahr größer sein, mit Interessenkollisionen konfrontiert zu werden und/oder ihnen nicht sachgerecht zu begegnen. Ebenso fehlen Anhaltspunkte dafür, dass Ärzte und Apotheker weniger verlässlich mit Interes71 senkollisionen umzugehen in der Lage sein sollten als die in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufsträger. Schließlich könnte befürchteten Gefahren durch geeignete mildere Mittel als das absolute Verbindungsverbot begegnet werden (vgl. etwa Gotzens, Die interprofessionelle Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer freier Berufe, 1998, S. 178). So ist es denkbar, die Aufnahme bestimmter Regelungen zum Umgang mit befürchteten Gefahren in den Gesellschaftsvertrag vorzuschreiben oder Schulungen zum Erkennen von und zum Umgang mit Interessenkollisionen zu verlangen.
(4)
Der Umstand, dass es sich bei der in § 59a Abs. 1 BRAO aufgezählten Berufsgruppe um rechtsberatende Berufe und wirtschaftsnahe Berater handelt, also die Gemeinsamkeit der Beratung auf wirtschaftlichrechtlichem Gebiet besteht, während die Rechtsbeschwerdeführerin zu 2 Berufen aus dem Bereich der Gesundheitsfürsorge angehört, ist im Hinblick auf den Gesetzeszweck, die anwaltliche Unabhängigkeit und das besondere Vertrauensverhältnis des Mandanten zum Rechtsanwalt zu schützen, ohne Bedeutung. Das Kriterium der Beratung auf wirtschaftlichrechtlichem Gebiet rechtfertigt keine Privilegierung der damit befassten Berufsträger (Quodbach, Grenzen der interprofessionellen Zusammenarbeit für Rechtsanwälte, 2002, S. 100 f.; Michalski/Römermann, NJW 1996, 3233, 3234). Nachfrage für eine interprofessionelle Tätigkeit des Rechtsanwalts kann auf anderen Gebieten ebenso bestehen (vgl. nur Quodbach, Grenzen der interprofessionellen Zusammenarbeit für Rechtsanwälte, 2002, S. 62 ff.). Die Verbindung des Anwalts mit einem wirtschaftsnahen Berater ermöglicht es, wirtschaftlichen Sachverstand in eine wirtschaftsrechtlich ausgerichtete Sozietät einzubringen. Die Verbindung des Anwalts mit einem Arzt oder Apotheker ermöglicht es, medizinischen und pharma72 73 74 zeutischen Sachverstand für die gemeinsame Berufsausübung in einer medizinoder gesundheitsrechtlich ausgerichteten Sozietät zu nutzen. Für das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt ergibt sich hieraus kein Unterschied. Anhaltspunkte dafür, dass in einer Verbindung des Rechtsanwalts mit anderen wirtschaftsnahen Beraterberufen weniger Gefahren für das Mandatsverhältnis bestünden als in einer Verbindung des Rechtsanwalts mit Angehörigen von Berufen aus dem Bereich der Gesundheitsfürsorge, bestehen nicht. Auf eine fehlende Vermittlung von Beratungsfertigkeiten in der Berufsausbildung oder fehlende Erfahrung auf diesem Gebiet kann sachgerecht nicht abgestellt werden. Auch Mediziner und Apotheker erbringen bei ihrer Berufsausübung umfangreiche Beratungsleistungen. Schließlich hat der Gesetzgeber durch die Ermöglichung von Berufsausübungsgesellschaften von Wirtschaftsprüfern mit Angehörigen von Berufen der Gesundheitsfürsorge wie Ärzten und Apothekern in § 44b Abs. 1 WPO selbst zum Ausdruck gebracht, dass er die Trennung wirtschaftlich beratender Berufe von solchen der Gesundheitsfürsorge nicht für zwingend hält.
(5)
Vor allem erschließt sich nicht, inwiefern eine (lose) Kooperation zwischen Rechtsanwalt und Arzt oder Apotheker, die im Rahmen der medizinrechtlichen Rechtsberatung üblich ist, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts weniger gefährden sollte als eine Sozietät oder Partnerschaft (vgl. BVerfGE 98, 49, 69 zum Verbot einer Sozietät zwischen Anwaltsnotaren und Wirtschaftsprüfern).
dd)
Schließlich stehen auch Eingriffszweck und Eingriffsintensität in keinem angemessenen Verhältnis. Soweit der Gesetzgeber in Teilbereichen einer Berufsausübungsgesellschaft von Rechtsanwälten und Ärzten bzw. Apothekern eine Gefährdung von Gemeinwohlbelangen zu erkennen meint, könnte dieser durch mildere Mittel, wie z.B. durch Auflagen hinsichtlich der konkreten Ausge75 76 77 staltung der Zusammenarbeit, begegnet werden. Die insoweit allenfalls bestehende Möglichkeit, noch weniger der schlichte Anschein von Gefahren für schützenswerte anerkannte Gemeinwohlbelange können generelle Verbote nicht rechtfertigen (st. Rspr., vgl. BVerfGE 76, 196, 206).
2.
Die Regelung des § 59a Abs. 1 BRAO ist nach Überzeugung des Senats unvereinbar mit der durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Vereinigungsfreiheit.
a)
Der Schutzbereich der durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Vereinigungsfreiheit ist nach Ansicht des Senats eröffnet (offen gelassen von BVerfGE 98, 49, 59), weil Art. 9 Abs. 1 GG einen eigenen Schutzgehalt für den beruflichen Zusammenschluss von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern neben dem Schutz der Berufsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG aufweist, in den durch das uneingeschränkte Verbot einer Berufsausübungsgesellschaft in § 59a Abs. 1 BRAO eingegriffen wird (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 IX ZR 44/10, ZIP 2011, 129 Rn. 8). Für den eigenen Wirkungskreis des Art. 9 Abs. 1 GG in der vorliegenden Grundrechtekonkurrenz spricht, dass sich das Sozietätsverbot gerade spezifisch gegen die Zulässigkeit der Vereinigung als solche richtet, weil das Verbot den Fall betrifft, dass Einzelne etwas in gesellschaftsrechtlicher Verbindung tun wollen, das sie je für sich zulässigerweise tun dürfen (vgl. Dietlein in Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 2006, Band IV/1, § 112 III 5 mwN; Sachs, MDR 1996, 1197, 1200 f.; Leisner, NJW 2004, 2340, 2341; Kilian/Glindemann, BRAKMitt. 2011, 303, 304). § 59a Abs. 1 BRAO verbietet den Rechtsbeschwerdeführern zudem, etwas in gesellschaftsrechtlicher Verbindung zu tun, das sie je für sich in einer Person dürften. Denn die Berufe des Arztes und des Apothekers sind mit dem Beruf des Rechtsanwalts vereinbar, 78 79 80 d.h. es ist dem Rechtsanwalt erlaubt, neben dem Beruf des Rechtsanwalts auch den des Arztes und des Apothekers auszuüben (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2003 AnwZ (B) 3/02, NJW 2003, 1527 f.). Es geht auch nicht (nur) darum, für die Angehörigen der betroffenen Berufe die Verbindung zur Berufsausübungsgesellschaft auf wenige oder nur eine Gesellschaftsform zu begrenzen. Vielmehr verbietet § 59a Abs. 1 BRAO jegliche Berufsausübungsgesellschaft; der Gesetzgeber stellt also für eine solche interprofessionelle Gesellschaft keine Rechtsform zur Verfügung.
b)
Eine Einschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Vereinigungsfreiheit ist nur zum Schutze kollidierenden Verfassungsrechts zulässig (vgl. zur Einschränkung vorbehaltloser Grundrechte BVerfG, NJW 1970, 1729, 1730). Als solches könnte das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Betracht kommen, das auch die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege umfasst. Gefahren sind insoweit jedoch nicht erkennbar (siehe oben III.
1.
b); jedenfalls könnte ihnen aber mit milderen Mitteln als dem Verbot begegnet werden.
3.
Die Vorschrift des § 59a Abs. 1 BRAO verletzt nach Überzeugung des Senats weiter den in Art. 3 Abs. 1 GG normierten allgemeinen Gleichheitssatz, indem sie es Ärzten und Apothekern verwehrt, Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer, Mitgliedern einer Patentanwaltskammer, Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern hingegen gestattet, sich zur gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen der eigenen beruflichen Befugnisse mit einem Rechtsanwalt zu verbinden.
a)
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Da der allgemeine Gleichheitssatz in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der 81 82 83 84 Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung. Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind dabei umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier durch die Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe der Schutzbereich der durch Art.12 Abs. 1 GG geschützten freien Berufsausübung beeinträchtigt ist (st. Rspr., BVerfG, NJW 2012, 833 Rn. 253; NJW 2008, 2409, Rn. 150, jew. mwN). Der allgemeine Gleichheitssatz gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfG, NJW 2008, 2409 Rn. 151; BVerfGE 116, 164, 180 mwN). Der allgemeine Gleichheitssatz ist in diesen Fällen verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (st. Rspr., BVerfG, NJW 2012, 833 Rn. 253; NJW 2008, 2409, Rn. 150, jew. mwN).
b)
Unter Anlegung dieser Maßstäbe verletzt die Differenzierung zwischen den in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufsgruppen und den Berufsgruppen der Ärzte und Apotheker den allgemeinen Gleichheitssatz. Es gibt keine sachlichen Gründe, die die ungleichen Rechtsfolgen auch im Blick auf § 44b Abs. 1 WPO rechtfertigen könnten. Die Unterschiede zwischen einem Arzt oder Apotheker einerseits und Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer, Mitgliedern einer Patentanwaltskammer, Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidig85 86 ten Buchprüfern andererseits sind nicht von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie unter Berücksichtigung des Normzwecks die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (vgl. zum Prüfungsmaßstab BVerfG, ZIP 1997, 694, 704 f.; BVerfGE 98, 49, 62). Ärzte und Apotheker unterliegen vergleichbaren Anforderungen an Ausbildung, Standesrecht und Verkammerung. Für den Normzweck, die anwaltliche Unabhängigkeit und das besondere Vertrauensverhältnis des Mandanten zum Rechtsanwalt zu schützen, hat es, wie dargestellt (siehe oben III.
1.
b), cc) (4)), keine Relevanz, dass es sich bei der einen Berufsgruppe um rechtsberatende wirtschaftsnahe Berater und bei der anderen um Berufe der Gesundheitsfürsorge handelt. Die Verbindung des Anwalts mit einem Arzt oder Apotheker ermöglicht es wie bei der Verbindung mit einem wirtschaftsnahen Berater, den jeweiligen fachlichen Sachverstand in eine entsprechend ausgerichtete Berufsausübungsgesellschaft einzubringen. Für das besondere Vertrauensverhältnis des Rechtsanwalts zum Mandanten und für seine Unabhängigkeit ergibt sich hieraus kein Unterschied. Im gesetzlich gewährten Schutz des Vertrauensverhältnisses zum Mandanten oder Patienten unterscheiden sich die von § 59a Abs. 1 BRAO erfassten Berufe mit Ausnahme des in § 160a Abs. 1 StPO stärker geschützten Verhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant nicht von denen des Arztes oder des Apothekers (siehe oben III.
1.
b). Bergmann Caliebe Drescher Born Sunder Vorinstanzen: AG Würzburg, Entscheidung vom 22.12.2010 04 AR 332/10 OLG Bamberg, Entscheidung vom 12.04.2011 4 W 9/11 87
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Stand: 16. Mai 2013
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Monika Dibbelt hat neben zahlreichen Beiträgen und Aufsätzen im Berufsrecht folgende Veröffentlichungen getätigt:
- BeckOK Berufsordnung für Rechtsanwälte BORA- Online-Kommentar, Autor(en): Volker Römermann, Tim Günther, Jan-Philipp Praß, Monika Dibbelt, Sabina Funke Gavilá, Herausgeber: Volker Römermann, Verlag C.H. Beck Verlag, 1. Auflage 2013
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